http://agritheatre.fr/2018/07/par-les-villages-de-peter-handke-extrait-lu-par-reda-kateb.html
PAR LES VILLAGES DE PETER HANDKE - EXTRAIT LU PAR REDA KATEB
Je cherche toujours, sans relâche, un théâtre à faire, un théâtre qui touche l'homme, dans sa terre, dans sa vie, dans le temps de cette vie. Il me semble que dans le texte de Peter Handke, il y a cette parole là, à faire entendre. Reda Kateb lit ici le prologue de Nova, personnage de la pièce.
Un homme revient plusieurs années après l'avoir quitté dans son village. Les choses ont changé. Alors il passe par les villages, sur le conseil de Nova, jeune femme qui va l'accompagner.
Je travaille sur une adaptation de "Par les Villages" pour le groupe de l'Agrithéâtre. Je pense que ce sera notre choix. C'est en tout cas le mien.
AND GERMAN REVIES OF THE AVIGNON FESTIVAL PERFORMANCE OF "walk about the villages"
IN PRINT WITH ARIADNE PRESS SINCE 1995
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AND NOT A SINGLE REVIEW IN THIS SHITTY COUNTY
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Par les villages de Peter Handke se construit autour des retrouvailles de frères et sœur à l’occasion de l’héritage de la maison familiale.
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Le monologue de Nova, extrait de « Par les villages » de Peter Handke est une parole d’espoir, une parole lumineuse. Une parole qui est tout autant une réflexion philosophique sur notre monde qu’un acte politique, aujourd’hui plus urgent et nécessaire que jamais.
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Monologe über das individuelle Erleben
Stanislas Nordeys "Par les Villages" beim Festival d'Avignon
Von Eberhard Spreng
In die Tradition der großen Papstpalastliteratur stellt Stanislas Nordey mit "Par les Villages" ein Stück von Peter Handke. Es feierte Eröffnungspremiere beim Festival d'Avignon.
"Die Kultur ist zu wichtig, als dass man sie den Bankern überlassen könnte." Vor dem Beginn der Eröffnungsinszenierung stehen auch in diesem Jahr wieder kurze Ansprachen, mit Diskursen über Geld und Kultur und die Zerbrechlichkeit von allem Künstlerischen in neoliberalen Gesellschaften. Man vermutet Vertreter der herrschenden Klasse unter den 2000 Zuschauern und nutzt die Gelegenheit für diese schon rituellen Appelle an Publikum und Politiker.
Wirklich beeindruckend aber ist die Rede ans Publikum erst eine Stunde später, wenn Stanislas Nordey als Bauarbeiter Hans bühnenoffen in den gewaltigen Freiraum spricht, als Vertreter der kleinen Leute, die Peter Handke 1982 mit seinem dramatischen Gedicht zu Protagonisten einer modernen Tragödie nobilitierte.
"Nous, les exploités, les offensés, les humiliés, peut-être sommes-nous le sel de la terre. Mais aussi, on se lève souvent tôt dans la nuit, on aime pisser dans le béton frais."
Hans, der proletarische Bruder des heimkehrenden Schriftstellers, spricht vom Salz der Erde, wenn von den Bauarbeitern die Rede ist, die im Tal in der Provinz von Baustelle zu Baustelle ziehen, ihren Ärger über die Mächtigen in der Gaststätte herunterspülen müssen und von denen doch jeder einzelne eine Welt in sich trägt, die so weit und reich ist, wie die des vielgereisten Schriftstellers Gregor. Dieser, ein Alter Ego des Autors Handke, kehrt in seine Heimat zurück und ist in ihr fremder, als er in der Ferne je sein könnte. Handkes proletarischer Hymnus schien Stanislas Nordey, der hier Schauspieler und Regisseur in einer Person ist, als das geeignete Stück, um es in die Tradition der großen Papstpalastliteraturen zu stellen.
"Im Theater spricht man selten zu 2000 Menschen. Man übernimmt dabei eine besondere Verantwortung. Ich habe mich gefragt, was denn lohnt, vor 2000 Menschen gesagt zu werden? Ich jedenfalls wollte nicht, dass da Könige, Prinzen, Ritter, Päpste oder sonstige Mächtige auftreten. Auch ein Stück über das Großbürgertum wollte ich nicht inszenieren. Obwohl sich das Welttheater immer wieder für diese Gesellschaftsschicht interessiert hat. Ich wollte, dass im Ehrenhof Dinge gesagt werden, die man da sonst nicht zu hören bekommt."
Wider alle Erwartungen gelingt Nordey trotz der knapp vierstündigen Aufführung ein kleines Wunder. Das sperrige Stück, das Uraufführungskritiker 1982 ein "gemütliches Wirtshaus zum Tiefsinn" nannten und dem Autor "aufgeblähte Sätze eines geschwätzigen Predigers" vorhielten, klingt hier viel weniger pathetisch abgedreht und kunstversessen überhöht. Das Französische sperrt sich gegen mutwillige Neologismen und das hat die Handkesche Sprache verschlankt und ihr allenfalls die rhetorische Dimension gelassen. Die aber passt sowohl in die französische Theatertradition, als auch in den Ehrenhof des Papstpalastes und in das Ohr eines geduldig lauschenden Publikums. Es nimmt sprachliche Höhenflüge an dieser Stelle auch dann hin, wenn sie wie bei Handke immer wieder in überraschenden Bruchlandungen enden, im Banalen einer kindischen Naturversessenheit etwa, oder der permanenten Anrufung alles Rätselhaften und Wunderbaren.
In Handkes Stück über Klassenfamilien und Wahrnehmungskonflikte von drei Geschwistern kommt keiner mit dem anderen ins Gespräch. Monologe künden von einem individuellen Erleben, von Systemen der Weltwahrnehmung, die jäh unvereinbar aufeinanderstoßen. Neben Nordeys kraftvollem Hans überzeugt insbesondere Emmanuelle Béart in der Rolle der Schwester Sophie. Nur der lange abschließende Monolog von Nova, der Frau aus dem Nachbardorf, geht in der Darstellung durch Jeanne Balibar völlig verloren. Wortbündel von jeweils höchsten fünf Silben bellt sie heraus und macht den Sprachfluss zunichte und damit jedes Verstehen, womit auch die Erlösung hinfällig wird, die in dem von Nova vertretenen neuen Weltbild eigentlich aufleuchten soll. Hier können die Menschen also nicht, jeder göttergleich, zu einem Volk von Schöpfern werden. Es bleibt also beim letztem Ausspruch des proletarischen Poeten Hans: "Wie verlassen die Menschheit ist."
Wirklich beeindruckend aber ist die Rede ans Publikum erst eine Stunde später, wenn Stanislas Nordey als Bauarbeiter Hans bühnenoffen in den gewaltigen Freiraum spricht, als Vertreter der kleinen Leute, die Peter Handke 1982 mit seinem dramatischen Gedicht zu Protagonisten einer modernen Tragödie nobilitierte.
"Nous, les exploités, les offensés, les humiliés, peut-être sommes-nous le sel de la terre. Mais aussi, on se lève souvent tôt dans la nuit, on aime pisser dans le béton frais."
Hans, der proletarische Bruder des heimkehrenden Schriftstellers, spricht vom Salz der Erde, wenn von den Bauarbeitern die Rede ist, die im Tal in der Provinz von Baustelle zu Baustelle ziehen, ihren Ärger über die Mächtigen in der Gaststätte herunterspülen müssen und von denen doch jeder einzelne eine Welt in sich trägt, die so weit und reich ist, wie die des vielgereisten Schriftstellers Gregor. Dieser, ein Alter Ego des Autors Handke, kehrt in seine Heimat zurück und ist in ihr fremder, als er in der Ferne je sein könnte. Handkes proletarischer Hymnus schien Stanislas Nordey, der hier Schauspieler und Regisseur in einer Person ist, als das geeignete Stück, um es in die Tradition der großen Papstpalastliteraturen zu stellen.
"Im Theater spricht man selten zu 2000 Menschen. Man übernimmt dabei eine besondere Verantwortung. Ich habe mich gefragt, was denn lohnt, vor 2000 Menschen gesagt zu werden? Ich jedenfalls wollte nicht, dass da Könige, Prinzen, Ritter, Päpste oder sonstige Mächtige auftreten. Auch ein Stück über das Großbürgertum wollte ich nicht inszenieren. Obwohl sich das Welttheater immer wieder für diese Gesellschaftsschicht interessiert hat. Ich wollte, dass im Ehrenhof Dinge gesagt werden, die man da sonst nicht zu hören bekommt."
Wider alle Erwartungen gelingt Nordey trotz der knapp vierstündigen Aufführung ein kleines Wunder. Das sperrige Stück, das Uraufführungskritiker 1982 ein "gemütliches Wirtshaus zum Tiefsinn" nannten und dem Autor "aufgeblähte Sätze eines geschwätzigen Predigers" vorhielten, klingt hier viel weniger pathetisch abgedreht und kunstversessen überhöht. Das Französische sperrt sich gegen mutwillige Neologismen und das hat die Handkesche Sprache verschlankt und ihr allenfalls die rhetorische Dimension gelassen. Die aber passt sowohl in die französische Theatertradition, als auch in den Ehrenhof des Papstpalastes und in das Ohr eines geduldig lauschenden Publikums. Es nimmt sprachliche Höhenflüge an dieser Stelle auch dann hin, wenn sie wie bei Handke immer wieder in überraschenden Bruchlandungen enden, im Banalen einer kindischen Naturversessenheit etwa, oder der permanenten Anrufung alles Rätselhaften und Wunderbaren.
In Handkes Stück über Klassenfamilien und Wahrnehmungskonflikte von drei Geschwistern kommt keiner mit dem anderen ins Gespräch. Monologe künden von einem individuellen Erleben, von Systemen der Weltwahrnehmung, die jäh unvereinbar aufeinanderstoßen. Neben Nordeys kraftvollem Hans überzeugt insbesondere Emmanuelle Béart in der Rolle der Schwester Sophie. Nur der lange abschließende Monolog von Nova, der Frau aus dem Nachbardorf, geht in der Darstellung durch Jeanne Balibar völlig verloren. Wortbündel von jeweils höchsten fünf Silben bellt sie heraus und macht den Sprachfluss zunichte und damit jedes Verstehen, womit auch die Erlösung hinfällig wird, die in dem von Nova vertretenen neuen Weltbild eigentlich aufleuchten soll. Hier können die Menschen also nicht, jeder göttergleich, zu einem Volk von Schöpfern werden. Es bleibt also beim letztem Ausspruch des proletarischen Poeten Hans: "Wie verlassen die Menschheit ist."
Stanislas Nordey met en scène « Par les villages », de Peter Handke, à la Cour d'honneur du Palais des papes, à Avignon.
Text TextAvignon (dpa)
Handke-Neuinszenierung verpasst Chance in Avignon
Acht blaue Bauarbeiterbaracken aus Blech: «Über die Dörfer» von Peter Handke kommt ohne großes Bühnenbild und Regiemätzchen aus.
Das Stück über menschliche (Un-) Beziehungen lebt vom Wort. Der französische Regisseur Stanislas Nordey hat in seiner Neuinszenierung auf dem Theaterfestival in Avignon deshalb auf ein minimalistisches Dekor und die Ausdruckskraft der Schauspieler gesetzt. Bei der Besetzung griff er auf bekannte Namen zurück, darunter die Schauspielerinnen Emmanuelle Béart («Ein Herz im Winter», «8 Frauen») und Jeanne Balibar («Die Wache», «Clara geht für immer») gesetzt. Einen Triumph feierte das Bekenntnisdrama am Samstagabend im Ehrenhof des Papstpalastes nicht.
Das Stück wurde 1982 durch Wim Wenders auf den Salzburger Festspielen zur Uraufführung gebracht. Weder Publikum noch Kritiker waren begeistert. Die «Frankfurter Rundschau» spottete über die «aufgeblähten Sätze» eines «geschwätzigen Predigers» und die «Zeit» sah den österreichischen Autoren «himmelwärts» dahinrauschen. Nur wenige wagten sich nach dem Debakel und dem zum Theatertod verurteilten Stück noch an eine Aufführung.
Handke nennt sein 1981 veröffentlichtes Werk ein «dramatisches Gedicht». Es besteht fast ausschließlich aus Monologen und handelt von einem Erbschaftsstreit zwischen drei Geschwistern. Gregor ist Schriftsteller und kommt aus Übersee, um mit den Geschwistern, dem Bauarbeiter Hans und seiner Schwester, der Verkäuferin Sophie, die Erbschaft mit dem Haus zu regeln. Er hat es als Ältester von den Eltern vermacht bekommen. Nun soll er darauf verzichten, weil die Schwester eine Hypothek aufnehmen und ein eigenes Geschäft gründen will.
In dem Drama geht es nur vordergründig um Erbschaftsstreit. Handke hängt daran die Frage nach den menschlichen (Un-) Beziehungen auf, blickt auf eine Gesellschaft, die die Natur und ihre Seele verkauft, auf die Welt der Arbeiter, die Rolle des Intellektuellen und der Kunst. Das Stück, das in Avignon auf Französisch aufgeführt wurde, schwankt zwischen apokalyptischen Visionen und heilsbringenden Botschaften, aber auch zwischen faustischen Höhenflügen und fadenscheinigsten Weisheiten. Wenn Gregor von Betonbögen redet, die zu «Formgliedern des allerältesten Altertums» werden und fragt, ob der Beton nicht «zu Urgestein gedacht werden kann», wirkt das peinlich.
Handkes Stück ist wortgewaltig und enthält einige seiner schönsten Sinnessprüche. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere dafür auch dankbar, zumal in den vergangenen Jahren die Kritik an mangelndem Texttheater immer lauter wurde. Während der ersten beiden Stunden applaudierten die Zuschauer sogar während der Aufführung. Vor allem die schauspielerische Leistung des Regisseurs überzeugte, der selbst in dem Stück mitspielte und als Hans auftrat.
Die Begeisterung schwand, als Jeanne Balibar am Schluss in der Rolle der Nova auftrat, des weiblichen Geistes des neuen Zeitalters. Knapp zwanzig Minuten leierte sie um ein Uhr morgens leblos und ohne Ausdruckskraft ihre Botschaft von der Dankbarkeit herunter, die einen beseelten Blick in die weite Welt gibt: «Und laßt ab von dem Gegrübel, ob Gott oder Nicht-Gott: das eine macht sterbensschwindlig, das andre tötet Phantasie, und ohne Phantasie wird kein Material Form...»
Das Stück wurde 1982 durch Wim Wenders auf den Salzburger Festspielen zur Uraufführung gebracht. Weder Publikum noch Kritiker waren begeistert. Die «Frankfurter Rundschau» spottete über die «aufgeblähten Sätze» eines «geschwätzigen Predigers» und die «Zeit» sah den österreichischen Autoren «himmelwärts» dahinrauschen. Nur wenige wagten sich nach dem Debakel und dem zum Theatertod verurteilten Stück noch an eine Aufführung.
Handke nennt sein 1981 veröffentlichtes Werk ein «dramatisches Gedicht». Es besteht fast ausschließlich aus Monologen und handelt von einem Erbschaftsstreit zwischen drei Geschwistern. Gregor ist Schriftsteller und kommt aus Übersee, um mit den Geschwistern, dem Bauarbeiter Hans und seiner Schwester, der Verkäuferin Sophie, die Erbschaft mit dem Haus zu regeln. Er hat es als Ältester von den Eltern vermacht bekommen. Nun soll er darauf verzichten, weil die Schwester eine Hypothek aufnehmen und ein eigenes Geschäft gründen will.
In dem Drama geht es nur vordergründig um Erbschaftsstreit. Handke hängt daran die Frage nach den menschlichen (Un-) Beziehungen auf, blickt auf eine Gesellschaft, die die Natur und ihre Seele verkauft, auf die Welt der Arbeiter, die Rolle des Intellektuellen und der Kunst. Das Stück, das in Avignon auf Französisch aufgeführt wurde, schwankt zwischen apokalyptischen Visionen und heilsbringenden Botschaften, aber auch zwischen faustischen Höhenflügen und fadenscheinigsten Weisheiten. Wenn Gregor von Betonbögen redet, die zu «Formgliedern des allerältesten Altertums» werden und fragt, ob der Beton nicht «zu Urgestein gedacht werden kann», wirkt das peinlich.
Handkes Stück ist wortgewaltig und enthält einige seiner schönsten Sinnessprüche. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere dafür auch dankbar, zumal in den vergangenen Jahren die Kritik an mangelndem Texttheater immer lauter wurde. Während der ersten beiden Stunden applaudierten die Zuschauer sogar während der Aufführung. Vor allem die schauspielerische Leistung des Regisseurs überzeugte, der selbst in dem Stück mitspielte und als Hans auftrat.
Die Begeisterung schwand, als Jeanne Balibar am Schluss in der Rolle der Nova auftrat, des weiblichen Geistes des neuen Zeitalters. Knapp zwanzig Minuten leierte sie um ein Uhr morgens leblos und ohne Ausdruckskraft ihre Botschaft von der Dankbarkeit herunter, die einen beseelten Blick in die weite Welt gibt: «Und laßt ab von dem Gegrübel, ob Gott oder Nicht-Gott: das eine macht sterbensschwindlig, das andre tötet Phantasie, und ohne Phantasie wird kein Material Form...»
Festivalseite
Künstlerische Weltrettung
Künstlerische Weltrettung
von Andreas Klaeui
Avignon, 6. Juli 2013. Kunst ist das Gegenteil von gut gemeint. Wenn die Gottfried-Benn'sche Wahrheit einer Illustration bedarf: Dieser Abend ist hervorragend dazu geeignet. In Peter Handkes "Dramatischem Gedicht", einer weitschweifigen, mehr epischen als tatsächlich poetischen Parabel von 1982, geht es um zwei Brüder: einen Schriftsteller-Heimkehrer aus der Fremde (den Regisseur Stanislas Nordey selber spielt) und einen im Dorf ansässig gebliebenen Handwerker (Richard Sammut), zwischen ihnen steht vermittelnd die Schwester mit dem weisen Namen Sophie (Emmanuelle Béart), sie haben ein Elternhaus aufzuteilen.
Diffuse Naturmystik
Es geht also um Heimat, aber auch um Zukunft, es geht um Stadt und Land, um heruntergekommene Zeiten, "Sklaven des Realismus" und die Utopie der Kunst, welche allein den gefrässigen Atem des Todes aufzuhalten vermag. Es geht um verlorene Gegenwart und künstlerische Weltrettung. Am Ende tritt eine Figur mit dem außerirdischen Namen Nova auf (Jeanne Balibar) und hält einen vierzigminütigen Vortrag, dass eigentlich nur die Künstler die Welt zu heilen vermögen.
"Über die Dörfer" ist ein schwieriger Text. Handke verbindet darin klassenkämpferische Hochgestimmtheit (in der die Ausgebeuteten und die Erniedrigten das Salz der Erde darstellen) mit einer diffusen Naturmystik, Grundstückskredite mit Heilsversprechen, das Erhabene mit dem Gewöhnlichen und das Triviale mit dem Pathetischen.
Im Namen der Kunst
Stanislas Nordey ist nun allerdings einer der kulturpolitisch engagiertesten Regisseure Frankreichs. Mit diesem Stück, aber auch indem er darin persönlich auf der Bühne auftritt, nur schon mit der Wahl Handkes als Autor zeigt er Haltung; Handke, ist dazu zu sagen, kennen die Franzosen vor allem als diesen proserbischen Österreicher, dessen "Spiel vom Fragen" 2006 kurzerhand vom Spielplan der Comédie-Française verschwand, nachdem er zum Begräbnis von Slobodan Milošević gefahren war. Nordey hat in der damaligen Debatte – im Namen der Kunst – für ihn Stellung genommen.
Stars in der Pathos-Manege: Emmanuelle Béart und Stanislas Nordey mit Kind.
© Christophe Rainaud de Lage
© Christophe Rainaud de Lage
Die Welt geht zu Schanden; die Kunst hat kein Ansehen mehr; man darf sie nicht den Finanzmenschen überlassen – daran haben eingangs der Premiere, in dem kleinen politischen Zeremoniell, das jeweils die Festival-Eröffnung begleitet, auch wieder ein offizieller Gewerkschaftsvertreter und ein inoffizieller "Intermittent" aus dem Publikum erinnert, und sie haben die gegenwärtige Situation wiederholter Budget-Kürzungen mit großen Versprechen aus der Vergangenheit konterkariert und mit politischen Willensträgern à la André Malraux. Nordeys Textwahl, mit dem ganzen Gewicht der Hauptinszenierung des "Artiste associé" im Papstpalast, steht wie ein Fanal auf der Affiche.
Statuenhafte Gesten und Sprachzeremoniell
Es funktioniert als kulturpolitisches Statement; aber nicht als Kunstwerk. Handkes Textblöcke, es sind ja lauter Monologe, verlieren sich vor der grandiosen Kulisse des Papstpalasts, im lichten Provencehimmel, selbst im Gezwitscher des Schwalbenschwarms, der wild stakkatierend noch eine Unterkunft sucht. Der Text erschöpft sich (trotz der sensiblen Übertragung von Georges-Arthur Goldschmidt) in statuenhaften Gesten und in einem Sprachzeremoniell, das jedes Wort ehrfürchtig zelebriert und mit einem eifrigen Kopfnicken begleitet. Die Distanz wird größer und größer, das gut gemeinte Statement desavouiert sich selber. Daran vermögen auch die Star-Auftritte einer giftigen Emmanuelle Béart und einer manierierten Jeanne Balibar nichts zu ändern. Pathos ist der Feind der Kunst. Auch dies ist wohl eine Wahrheit.
Par les villages
von Peter Handke (französisch von Georges-Arthur Goldschmidt)
Regie: Stanislas Nordey, Bühne: Emmanuel Clolus, Licht: Stéphanie Daniel, Musik: Olivier Mellano, Dramaturgie: Claire Ingrid Cottanceau.
Mit: Jeanne Balibar, Emmanuelle Béart, Raoul Fernandez, Moanda Daddy Kamono, Olivier Mellano, Annie Mercier, Stanislas Nordey, Véronique Nordey, Richard Sammut, Laurent Sauvage und den Kindern Nora Baudriller und Zaccharie Dor.
Dauer: 4 Stunden 30 Minuten, eine Pause.
www.festival-avignon.com
Par les villages
von Peter Handke (französisch von Georges-Arthur Goldschmidt)
Regie: Stanislas Nordey, Bühne: Emmanuel Clolus, Licht: Stéphanie Daniel, Musik: Olivier Mellano, Dramaturgie: Claire Ingrid Cottanceau.
Mit: Jeanne Balibar, Emmanuelle Béart, Raoul Fernandez, Moanda Daddy Kamono, Olivier Mellano, Annie Mercier, Stanislas Nordey, Véronique Nordey, Richard Sammut, Laurent Sauvage und den Kindern Nora Baudriller und Zaccharie Dor.
Dauer: 4 Stunden 30 Minuten, eine Pause.
www.festival-avignon.com
Handke-Neuinszenierung verpasst Chance in Avignon
Avignon (dpa) – Acht blaue Bauarbeiterbaracken aus Blech: "Über die Dörfer" von Peter Handke kommt ohne großes Bühnenbild und Regiemätzchen aus.
Das Stück über menschliche (Un-) Beziehungen lebt vom Wort. Der französische Regisseur Stanislas Nordey hat in seiner Neuinszenierung auf dem Theaterfestival in Avignon deshalb auf ein minimalistisches Dekor und die Ausdruckskraft der Schauspieler gesetzt. Bei der Besetzung griff er auf bekannte Namen zurück, darunter die Schauspielerinnen Emmanuelle Béart ("Ein Herz im Winter", "8 Frauen") und Jeanne Balibar ("Die Wache", "Clara geht für immer") gesetzt. Einen Triumph feierte das Bekenntnisdrama am Samstagabend im Ehrenhof des Papstpalastes nicht.
Das Stück wurde 1982 durch Wim Wenders auf den Salzburger Festspielen zur Uraufführung gebracht. Weder Publikum noch Kritiker waren begeistert. Die "Frankfurter Rundschau" spottete über die "aufgeblähten Sätze" eines "geschwätzigen Predigers" und die "Zeit" sah den österreichischen Autoren "himmelwärts" dahinrauschen. Nur wenige wagten sich nach dem Debakel und dem zum Theatertod verurteilten Stück noch an eine Aufführung.
Das Stück wurde 1982 durch Wim Wenders auf den Salzburger Festspielen zur Uraufführung gebracht. Weder Publikum noch Kritiker waren begeistert. Die "Frankfurter Rundschau" spottete über die "aufgeblähten Sätze" eines "geschwätzigen Predigers" und die "Zeit" sah den österreichischen Autoren "himmelwärts" dahinrauschen. Nur wenige wagten sich nach dem Debakel und dem zum Theatertod verurteilten Stück noch an eine Aufführung.
Handke nennt sein 1981 veröffentlichtes Werk ein "dramatisches Gedicht". Es besteht fast ausschließlich aus Monologen und handelt von einem Erbschaftsstreit zwischen drei Geschwistern. Gregor ist Schriftsteller und kommt aus Übersee, um mit den Geschwistern, dem Bauarbeiter Hans und seiner Schwester, der Verkäuferin Sophie, die Erbschaft mit dem Haus zu regeln. Er hat es als Ältester von den Eltern vermacht bekommen. Nun soll er darauf verzichten, weil die Schwester eine Hypothek aufnehmen und ein eigenes Geschäft gründen will.
In dem Drama geht es nur vordergründig um Erbschaftsstreit. Handke hängt daran die Frage nach den menschlichen (Un-) Beziehungen auf, blickt auf eine Gesellschaft, die die Natur und ihre Seele verkauft, auf die Welt der Arbeiter, die Rolle des Intellektuellen und der Kunst. Das Stück, das in Avignon auf Französisch aufgeführt wurde, schwankt zwischen apokalyptischen Visionen und heilsbringenden Botschaften, aber auch zwischen faustischen Höhenflügen und fadenscheinigsten Weisheiten. Wenn Gregor von Betonbögen redet, die zu "Formgliedern des allerältesten Altertums" werden und fragt, ob der Beton nicht "zu Urgestein gedacht werden kann", wirkt das peinlich.
Handkes Stück ist wortgewaltig und enthält einige seiner schönsten Sinnessprüche. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere dafür auch dankbar, zumal in den vergangenen Jahren die Kritik an mangelndem Texttheater immer lauter wurde. Während der ersten beiden Stunden applaudierten die Zuschauer sogar während der Aufführung. Vor allem die schauspielerische Leistung des Regisseurs überzeugte, der selbst in dem Stück mitspielte und als Hans auftrat.
Die Begeisterung schwand, als Jeanne Balibar am Schluss in der Rolle der Nova auftrat, des weiblichen Geistes des neuen Zeitalters. Knapp zwanzig Minuten leierte sie um ein Uhr morgens leblos und ohne Ausdruckskraft ihre Botschaft von der Dankbarkeit herunter, die einen beseelten Blick in die weite Welt gibt: "Und laßt ab von dem Gegrübel, ob Gott oder Nicht-Gott: das eine macht sterbensschwindlig, das andre tötet Phantasie, und ohne Phantasie wird kein Material Form..."
Acht blaue Bauarbeiterbaracken aus Blech: „Über die Dörfer“ von Peter Handke kommt ohne großes Bühnenbild und Regiemätzchen aus.
Das Stück über menschliche (Un-) Beziehungen lebt vom Wort. Der französische Regisseur Stanislas Nordey hat in seiner Neuinszenierung auf dem Theaterfestival in Avignon deshalb auf ein minimalistisches Dekor und die Ausdruckskraft der Schauspieler gesetzt. Bei der Besetzung griff er auf bekannte Namen zurück, darunter die Schauspielerinnen Emmanuelle Béart („Ein Herz im Winter“, „8 Frauen“) und Jeanne Balibar („Die Wache“, „Clara geht für immer“) gesetzt. Einen Triumph feierte das Bekenntnisdrama am Samstagabend im Ehrenhof des Papstpalastes nicht. Das Stück wurde 1982 durch Wim Wenders auf den Salzburger Festspielen zur Uraufführung gebracht. Weder Publikum noch Kritiker waren begeistert. Die „Frankfurter Rundschau“ spottete über die „aufgeblähten Sätze“ eines „geschwätzigen Predigers“ und die „Zeit“ sah den österreichischen Autoren „himmelwärts“ dahinrauschen. Nur wenige wagten sich nach dem Debakel und dem zum Theatertod verurteilten Stück noch an eine Aufführung.
Handke nennt sein 1981 veröffentlichtes Werk ein „dramatisches Gedicht“. Es besteht fast ausschließlich aus Monologen und handelt von einem Erbschaftsstreit zwischen drei Geschwistern. Gregor ist Schriftsteller und kommt aus Übersee, um mit den Geschwistern, dem Bauarbeiter Hans und seiner Schwester, der Verkäuferin Sophie, die Erbschaft mit dem Haus zu regeln. Er hat es als Ältester von den Eltern vermacht bekommen. Nun soll er darauf verzichten, weil die Schwester eine Hypothek aufnehmen und ein eigenes Geschäft gründen will.
In dem Drama geht es nur vordergründig um Erbschaftsstreit. Handke hängt daran die Frage nach den menschlichen (Un-) Beziehungen auf, blickt auf eine Gesellschaft, die die Natur und ihre Seele verkauft, auf die Welt der Arbeiter, die Rolle des Intellektuellen und der Kunst. Das Stück, das in Avignon auf Französisch aufgeführt wurde, schwankt zwischen apokalyptischen Visionen und heilsbringenden Botschaften, aber auch zwischen faustischen Höhenflügen und fadenscheinigsten Weisheiten. Wenn Gregor von Betonbögen redet, die zu „Formgliedern des allerältesten Altertums“ werden und fragt, ob der Beton nicht „zu Urgestein gedacht werden kann“, wirkt das peinlich.
Handkes Stück ist wortgewaltig und enthält einige seiner schönsten Sinnessprüche. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere dafür auch dankbar, zumal in den vergangenen Jahren die Kritik an mangelndem Texttheater immer lauter wurde. Während der ersten beiden Stunden applaudierten die Zuschauer sogar während der Aufführung. Vor allem die schauspielerische Leistung des Regisseurs überzeugte, der selbst in dem Stück mitspielte und als Hans auftrat.
Handke nennt sein 1981 veröffentlichtes Werk ein „dramatisches Gedicht“. Es besteht fast ausschließlich aus Monologen und handelt von einem Erbschaftsstreit zwischen drei Geschwistern. Gregor ist Schriftsteller und kommt aus Übersee, um mit den Geschwistern, dem Bauarbeiter Hans und seiner Schwester, der Verkäuferin Sophie, die Erbschaft mit dem Haus zu regeln. Er hat es als Ältester von den Eltern vermacht bekommen. Nun soll er darauf verzichten, weil die Schwester eine Hypothek aufnehmen und ein eigenes Geschäft gründen will.
In dem Drama geht es nur vordergründig um Erbschaftsstreit. Handke hängt daran die Frage nach den menschlichen (Un-) Beziehungen auf, blickt auf eine Gesellschaft, die die Natur und ihre Seele verkauft, auf die Welt der Arbeiter, die Rolle des Intellektuellen und der Kunst. Das Stück, das in Avignon auf Französisch aufgeführt wurde, schwankt zwischen apokalyptischen Visionen und heilsbringenden Botschaften, aber auch zwischen faustischen Höhenflügen und fadenscheinigsten Weisheiten. Wenn Gregor von Betonbögen redet, die zu „Formgliedern des allerältesten Altertums“ werden und fragt, ob der Beton nicht „zu Urgestein gedacht werden kann“, wirkt das peinlich.
Handkes Stück ist wortgewaltig und enthält einige seiner schönsten Sinnessprüche. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere dafür auch dankbar, zumal in den vergangenen Jahren die Kritik an mangelndem Texttheater immer lauter wurde. Während der ersten beiden Stunden applaudierten die Zuschauer sogar während der Aufführung. Vor allem die schauspielerische Leistung des Regisseurs überzeugte, der selbst in dem Stück mitspielte und als Hans auftrat.
Die Begeisterung schwand, als Jeanne Balibar am Schluss in der Rolle der Nova auftrat, des weiblichen Geistes des neuen Zeitalters. Knapp zwanzig Minuten leierte sie um ein Uhr morgens leblos und ohne Ausdruckskraft ihre Botschaft von der Dankbarkeit herunter, die einen beseelten Blick in die weite Welt gibt: „Und laßt ab von dem Gegrübel, ob Gott oder Nicht-Gott: das eine macht sterbensschwindlig, das andre tötet Phantasie, und ohne Phantasie wird kein Material Form...“